Artikel: Düzen Tekkal
DB MOBIL trifft die Menschenrechtsaktivistin am Hauptbahnhof Hannover und spricht mit ihr über Familienreisen mit der Bahn, die berührende Rede einer Zugbegleiterin und darüber, warum auch sie mal eine Pause braucht.
Von: Katja Heer
Datum: 01.12.2023
Frau Tekkal, wohin geht die Reise?
Von Hannover Richtung Berlin, zurück nach Hause.
Was haben Sie in Hannover gemacht?
Ich bin beim Innovation Camp gegen Fachkräftemangel aufgetreten, das meine Bildungsinitiative GermanDream veranstaltet hat. Danach war ich bei meinen Brüdern, die in Hannover ein Restaurant betreiben.
Sie haben zehn Geschwister. Sind Sie manchmal alle zusammen auf Reisen?
Vor allem bin ich mit dreien meiner sechs Schwestern viel unterwegs – die, mit denen ich die Menschenrechtsorganisation HÁWAR.help gegründet habe. In der Bahn sitzen wir am liebsten am Vierertisch, haben unseren Proviant dabei und reden die ganze Zeit.
Worüber sprechen Sie?
Über alles, was die Organisation angeht: Wir verteilen Aufgaben oder fällen gemeinsam Entscheidungen. Aber natürlich geht es auch um unsere Eltern und um unsere Brüder. Das ist oft wie eine Therapiestunde.
Wie sorgen Sie dafür, dass die Mitreisenden keine Interna aus Familie und Verein mitbekommen?
Wir sprechen Kurdisch – das ist in dem Moment dann unsere Geheimsprache, mit deutschen Wörtern gemischt. Aber wir nehmen auch Rücksicht auf die anderen und sprechen sehr leise. In einer Großfamilie lernt man beides: zu schnacken und sich unterzuordnen.
Und wenn Sie alleine reisen?
Im Zug kann ich sehr gut arbeiten, oft vergesse ich Ort und Zeit und haue einfach in die Tasten.
Sie fahren oft mit der Bahn. Gibt es eine Begegnung, die Ihnen im Gedächtnis geblieben ist?
Vor einigen Wochen war ich von Hamburg nach Berlin unterwegs, und der Zug war sehr verspätet. Es lief drunter und drüber, und die Zugbegleiterin war der Blitzableiter für die Mitreisenden, sie wurde ziemlich angemotzt. Da hat sie sich das Mikrofon geschnappt und spontan eine Rede gehalten.
Was hat die Zugbegleiterin gesagt?
„Ich bin auch nur ein Mensch, und es hat mich verletzt, wie Sie gerade mit mir umgegangen sind – dass Sie mich hier anschreien und sogar schubsen. Das finde ich nicht in Ordnung.“ Danach haben alle um mich herum geklatscht. Die Geschichte hat mich sehr berührt und noch lange beschäftigt.
Sie haben kürzlich in einem Interview gesagt, dass das Leben und die Welt im Moment sehr anstrengend für Sie seien. Wie lenken Sie sich ab?
Indem ich mich mit Menschen umgebe, die ich liebe. Und indem ich ganz bewusst an die Schönheit des Lebens andocke: mit einem schönen Kleid, mit einem Nachmittag, an dem ich mir eine Massage gönne, mit Zeit, die ich mir für mich nehme. Jetzt, wo ich darüber spreche, fällt mir allerdings auf, dass ich das alles lange nicht mehr gemacht habe.
Sie sind permanent im Einsatz für die Menschenrechte. Brauchen Sie nicht auch mal eine Pause?
Doch. Nur ist es bei den Themen, die mir am Herzen liegen, sehr schwer, einfach mal auszusteigen. Ich habe die letzten vier Jahre so getan, als hätte ich keine Grenzen. Dabei ist Abschalten so wichtig. Es müsste eigentlich mindestens genauso wichtig sein wie meine Arbeit. Ich habe mir fest vorgenommen, daran zu arbeiten.